Kapitel II

2.3
Theseusfahrt nach Kreta oder: Europas mythische Enkel

Androgeos, ein leiblicher Sohn des Minos, war ein erfolgreicher Wettkämpfer bei den antiken Spielen. Möglicherweise erschlugen ihn attische Neider, möglicherweise kam er um, nachdem Athens König Aigeus ihn gegen den in Marathon wütenden Stier gesandt hatte.1 Wie auch immer! Minos jedenfalls zog wegen des toten Sohnes mit seinem kretischen Heer vor Athen. Er belagerte die Stadt zunächst erfolglos, bis Zeus auf sein Bitten der Stadt Seuchen bescherte.2 Als den Belagerten weder Opfer halfen, noch sonst ein Ausweg zu erkennen war, befragte man das Orakel. Selbiges verhieß: Nur die Erfüllung aller Forderungen des Minos rettet die Stadt vor dem sicheren Untergang.3 Ihr Einlenken bescherte den Athenern einen gnadenlosen Tribut. Minos forderte, ihm fortan alle neun Jahre sieben attische Jünglinge und gleich viele Mädchen aus den besten Familien zu senden.4 5 Sie alle fielen gerüchteweise im Labyrinth dem finsteren Minotauros zum Opfer.

Kurz bevor der Tribut zum dritten Mal fällig wurde, kam Theseus nach Athen. Theseus war Sohn des Meergottes Poseidon wie auch des attischen Königs Aigeus und der Aithra. Aufgrund eines Orakelspruchs teilte einst Aigeus mit Aithra, der Tochter des Nachbarkönigs, just in derselben Nacht das Lager wie der Meergott. Theseus wuchs jedoch allein bei der Mutter auf. Sein menschlicher Erzeuger hinterließ dem Sprössling Schwert und Sandalen unter einem mächtigen Gesteinsbrocken. Den zu heben, um die Waffe in Besitz zu nehmen, stellte die Reifeprüfung des Jünglings dar. Erst zu dieser Zeit sollte Aithra den Sohn über seine Abkunft unterrichten und ihn nach Athen zum Vater schicken. Die Zeit dafür war reif und Aithra tat, wie Aigeus ihr einst geheißen, als Theseus den Stein zu lüften vermochte.6

Nachdem er unterwegs zahlreichen Schurken und Wegelagerern den Garaus gemacht hatte, eilte ihm sein Ruf als unerschrockener Held voraus. So zog Theseus bereits gefeiert durch das Stadttor ein nach Athen.7 8 Der König, nicht wissend, dass der eigene Spross naht, lässt sich von seinem Weibe Medea verleiten, den Fremden zu vergiften, der nach dem Thron greifen könnte.9 10 Ihr Beweggrund war die attische Thronsicherung für die eigenen Kinder. Am Schwert des Fremden jedoch erkennt der Vater im rechten Moment den Sohn, vereitelt den Anschlag und verbannt Medea.11

Theseus hatte bei seinem Einzug in Athen Trauer bemerkt. Nach dem Grund befragt, offenbarte ihm Aigeus den grausamen minoischen Tribut. Den zu erfüllen würde in wenigen Tagen erneut ein Schiff nach Kreta aufbrechen. Wie immer wegen des traurigen Anlasses unter schwarzen Segeln. Theseus meldete sich sofort freiwillig die Schar der Unglückseligen zu begleiten, um den Minotauros im Labyrinth zu erledigen. Aigeus gab ihm weißes Segelzeug mit, das er aufziehen sollte, falls der Coup gelang.12 So könne er von hohem Felsen schon früh die frohe Botschaft erkennen und alles für die freudige Rückkunft rüsten.

Auf Kreta angekommen verliebte sich, dank Aphrodites Zutun, Minos Tochter Ariadne in den attischen Helden, als der vor den König trat.13 14 Um seinetwillen sogleich besorgt fragte sie den Baumeister und Erfinder Daidalos, wie man sich im Labyrinth zurechtfinden könne. Daidalos gibt ihr den Rat, einen Faden am Eingang zu befestigen, diesen beim Hineingehen abzuspulen, damit er auf dem Rückweg zur Orientierung diene. Ariadne übergibt dem Geliebten heimlich jenes berühmt gewordene Fadenknäuel mit den nötigen Instruktionen.15 16 Der verspricht ihr dafür nach erfolgreicher Rückkehr die Hochzeit in Athen. Theseus tat, wie ihm geheißen. Er stellt den Stierhäuptigen im Zentrum des Labyrinths, triumphiert im Zweikampf und fand mit den Seinen am Faden der Ariadne glücklich zurück.17

In einigen Versionen ist statt des Fadens auch von einer im Dunkeln leuchtenden Edelsteinkrone die Rede, die Ariadne dem Theseus gab bzw. die dieser während der Überfahrt nach Kreta von Amphitrite, der Gattin des Meergottes Poseidon erhielt.18 Diodor von Sizilien erzählt lediglich, dass der Gott Dionysos die Krone der Ariadne an den Himmel versetzte 19

Auf dem Heimweg machen sie zunächst auf der Insel Dia Rast. Dort lässt Theseus trotz Eheversprechen Ariadne allein. Die Gründe werden verschieden angegeben. Überwiegend aber scheint die Einmischung des Gottes Dionysos bedeutsam, der Ariadne für sich beansprucht bzw. für sich zu gewinnen weiß. Ohne Ariadne, nach manchen aber mit deren Schwester Phaidra, segelt Theseus mit den übrigen Gefährten weiter zur Insel Delos. Dort unterweisen sie die Einheimischen in einem Tanz, der die verschlungenen Pfade im Labyrinth nachvollzieht.20 

Schließlich segelt Theseus mit den Kameraden endgültig Richtung Heimat, vergaß jedoch die schwarzen gegen die weißen Segel zu tauschen. Aigeus, der das sah, wähnte den Sohn verloren und stürzte sich vom hohen Felsen zu Tode ins Meer, das nach ihm “Ägäisches Meer” heißt.21 Theseus aber wird König von Athen.

Minos erging es bei der Suche nach dem von Kreta geflohenen Daidalos schlecht. Durch Heimtücke kam er um. Um Frieden zwischen Kreta und Athen bemüht, vermählt Minos ältester Sohn Deukalion, nachdem der König geworden war, seine Schwester Phaidra mit Theseus. Die jedoch verliebt sich in dessen Sohn Hippolytos, der aus einer älteren Verbindung des Theseus mit einer Amazone hervorging. Hippolythos weist sie jedoch zurück, worauf Phaidra ihn vorgeblich wegen Vergewaltigung bei Theseus anschwärzt, selbst den Freitod wählt und Hippolytos, außer sich vor lauter Rage bei Erhalt der Nachricht über die boshafte Unterstellung, tödlich verunfallt.22 [Vergleiche auch Euripides: “Hippolytos” unter www.projekt-gutenberg.org; zuletzt eingesehen 24.06.2025.)]

Dionysos nahm die blonde Ariadne zum Weibe, die ihm Zeus unsterblich machte.23 Der göttliche Gatte wirft ihre Brautkrone an den Himmel, wo sie uns heute, etwa ein Drittel des Weges zwischen dem hellen Arkturus im Sternbild „Bärenhüter“ (lat.: „Bootes“) und Wega in der „Leier“ (lat.: „Lyra“), als das kleine, aber markante Sternbild „Nördliche Krone“ (lat.: „Corona Borealis“) leuchtet.

Rezeption:

Grundsätzlich muss zum Theseus-Mythos vorangestellt werden, dass dieser Teil vermutlich in antiker Zeit unter attischer Hegemonie überprägt wurde. Zwar ist die mythische Figur des Theseus deutlich älter,24 auch schon als Bezwinger des Minotauros. Erst aber im 6. Jh. v. Chr. begannen die Athener wohl, ihn zu ihrem Polis-Heros hochzustilisieren.25 Die mythischen Details, wie Geburt und Abstammung des Helden, aber auch sein Einzug in Athen oder die Zahl der für Minos bestimmten Opfer dürften sämtlich erst hier in den Mythos integriert worden sein.

Ob Menschenopfer noch in antiker Zeit Realität waren, müssen Experten beantworten. Die Mythe bezieht sich jedoch auf minoisch-mykenische Zeit. Zumindest für Kreta gibt es offenbar archäologische Belege für Menschenopfer. Wenn auch allem Anschein nach nur in extremen Ausnahmesituationen.26

Der stierhäuptige Sohn der Pasiphae, Enkel der Europa, jener Finsterling, welcher stets in der gleichsam “leuchtenden” Spur der Mutter folgt, ist kein Geringerer als die personifizierte Erscheinung einer totalen Sonnenfinsternis. Was ihn logischerweise ins zodiakale Zentrum setzt, mythologisch übertragen in das Zentrum des Labyrinths.

Entsprechend kann mit dem kretisch-mythischen Labyrinth, dem finsteren Gefängnis des Minotauros, kein irdisches Gebäude gemeint gewesen sein, wie oft spekuliert. Das irre gewundene Labyrinth des Minotauros ist reine Metapher für den zodiakalen Himmelsstreifen mit seinen zur Bronzezeit noch verwirrenden Bahnläufen von Sonne, Mond, Planeten und unsichtbaren Finsternisknoten. So vollzieht mancher Planet scheinbar rückläufige Bahnschleifen. Die Venus erscheint obendrein phasenweise als Abendstern, verschwindet ganz und erscheint dann wieder als Morgenstern. Der Umlauf der Finsternisknoten ist gar nicht direkt beobachtbar. Der Mondlauf pendelt langjährig vor dem zodiakalen Fixsternhintergrund auf und ab, wechselt monatlich nicht nur die Streifen beiderseits der zentralen Ekliptik sondern, aufgrund schwankenden Erdabstandes, auch seine Umlaufgeschwindigkeit. Nicht zuletzt ereignen sich Mondfinsternisse wegen der Erdnähe des Mondes etwas abseits der Sonnenbahn, beispielsweise erkennbar am sogenannten Heelstone von Stonehenge, der, vom Zentrum der Anlage gesehen, etwas östlich der exakten Sonnenwendlinie steht. Tatsächlich also beinhaltete der zodiakale Himmelsbereich eine Vielzahl verwirrender Faktoren, die es den Himmelskundigen in der Bronzezeit Europas außerordentlich schwer machten, verlässliche astronomische Vorhersagen zu treffen. Vor allem die Vorhersage von Finsternissen, insbesondere von Sonnenfinsternissen, blieb nach wie vor vermutlich ein Fall für das Orakel.

Wenn dennoch der Tempelpalast von Knossos auf Kreta als “Haus der Labrys” mit dem Labyrinth in Verbindung gebracht wurde, dann aus zwei Gründen. Zum einen, weil er meines Erachtens nach architektonisch als “Himmelspalast” konzipiert worden war, als irdische Residenz der Götter. Zum anderen, weil hier exzellentes Wissen um die ekliptikalen Bedingungen für kosmische Prophezeiungen, etwa zur Weissagung von Finsternissen genutzt wurde, zum Erscheinen der Venus als Abend- und Morgenstern und Ähnliches. Zudem ist die minoische Doppelaxt (Labrys) selbst ein astronomisches Symbol. Ihre gegenständigen Schneiden entsprechen den beiden Jahreshalbbögen des Sonnenlaufs auf dem Horizont, auf- wie untergangsseitig (Analog zu beiden goldenen Randbögen auf der Himmelsscheibe von Nebra.). Sie versinnbildlichen die Verlagerung der Ekliptik im Jahreslauf. Wobei die Ekliptik als Band (Bänderornament auf den Äxten) die beiden Schneiden mit dem Schaft verbinden, der seinerseits die zentrale Himmelsachse darstellt (axis mundi), um die alle Himmelslichter einschließlich dem Zodiakos kreisen.

Die im Mythos um Theseus‘ Kretafahrt für den Minotauros bestimmten, vierzehn Athener jugendlichen Opfer, eingedenk ihres Führers Theseus fünfzehn an der Zahl, sind vermutlich rein allegorisch gemeint. Ihr ‘Opfer’ ummäntelt ihre hintergründig astrokalendarische Bedeutung in Bezug auf die zentrale Sonnenfinsternis. Das in der antiken Literatur mehrfach angewandte, in Bilddarstellungen auf Keramiken wegen des damit verbundenen zeichnerischen Aufwandes verständlicherweise seltener eingehaltene Zahlengleichnis attischer Jugendlicher, symbolisiert die Zahlenwerte 14 bzw. 15. Das entspricht nach Tagen dem halben synodischen Mondmonat, dem Wechsel zwischen Neu- und Vollmond. In diesem Abstand folgt innerhalb desselben Finsternisfensters frühestens eine Sonnen- auf eine Mondfinsternis bzw. umgekehrt.27 28

Der Mythos definiert noch eine weitere Zahl. Das Athener Menschenopfer wird, zumindest nach Plutarch und Diodor, alle neun Jahre fällig. Ovid gibt die Tötung des Minotauros nach neun Jahren an. Er spricht dabei auch vom dritten fälligen Tribut. Unklar bleibt bei ihm, ob der zweite Tribut ebenfalls nach neun Jahren fällig war oder ob er lediglich dreimaldrei, also insgesamt neun Jahre meint. Apollodor verweist in seiner “Mythischen Bibliothek” zwar auf dieselbe Zahl jugendlicher Opfer. Die aber waren nach ihm, wie schon bei Euripides (Vergl. Fußnote 26.), jährlich fällig. Entweder besaß er keine Kennntnis vom Saroszyklus oder hat einfach die Angabe des Euripides übernommen, ohne dem jedoch bei der Zahl von nur zweimal sechs Opfern zu folgen. Was so letztlich keinen Sinn ergibt. Nach Diodor wiederum erscheint Theseus bereits beim zweiten fälligen Tribut auf der Bildfläche. Ähnlich wie es Ovid darstellt, also bereits nach neun Jahren. Obwohl die Fälligkeit des Tributs bei den späteren Autoren einigermaßen variiert, ist diesbezüglich insgesamt doch eine Betonung der Zahl “Neun” im Sinne einer Enneade (neunjähriger Zeitraum) bzw. einer Enneäeteris (neunjähriger Kalenderzeitraum) unverkennbar. Wertet man dies als halben Saroszyklus, bleibt der Sinn letztlich derselbe. Erkennbar wird jedenfalls, dass die Enneade im kultisch motivierten Kontext der Finsternisse in vor- und frühantiker Zeit enorme Bedeutung in Europa besessen haben muss.

Innerhalb dieser neunjährigen Frist des halben Saroszyklus (Heute 9 tropische Jahre und 5 bis 6 Tage.) vertauschen im Reigen der Finsternisse die Mondbahnknoten ihre jeweilige Position, weshalb neunjährig die Art der Finsternis von Sonnen- auf Mondfinsternis wechselt bzw. umgekehrt. Was man in archaischer Zeit durchaus für kultisch-kosmologisch bedeutsam gehalten hatte.29 30

Logisch indes scheint, dass Theseus erwachsen sein musste, um gegen den Minotauros antreten zu können. Wegen der eingangs erwähnten, stark attischen Prägung des Mythos, gehört die Zeugung des Helden als Auftakt zum wesentlichen Bestandteil der Mythe. Will man also begreifen, was uns die Autoren dieser Zeit mitzuteilen hatten, muss gerade ihre Fassung tiefgründig rezipiert werden. Folgt man dieser Argumentation, bewies sich Theseus nach dem Fortgang von der Mutter als Jugendlicher zunächst eine Weile in der Fremde, wo er die diversen Schurken beseitigte und sich so seinen Ruhm erwarb. Gerade erwachsen, gereift an seinen Taten und gefestigt, zog er dann in Athen ein. Unmittelbar, bevor der Tribut an Minos zum dritten Male fällig wurde. Theseus könnte, obwohl dergleichen nirgends explizit ausgeführt wird, demnach achtzehn Jahre alt gewesen sein.

Nach Plutarch und Diodor befinden wir uns der Tributforderung zufolge ebenfalls im Jahr 18 seit seiner Auferlegung durch Minos. Das würde perfekt zu Theseus jugendlichem Alter passen. Man bedenke: Nur dieses ermöglichte es ihm überhaupt, sich als 15. Opfer für Minos anzubieten. Unterstellt man nun aber eine griechische Jahresrechnung mit 365 Tagen für diese 18 Jahre und addiert zum Produkt: 18 x 365 Tage besagten halben Mondmonat, den die Zahl der Opfer einschließlich Theseus symbolisiert, also nochmals 15 Tage, ergibt sich:

  • 18 Jahre x 365 Tage = 6570 Tage
  • Opferzahl 15 (Tage), 6570 Tage + 15 Tage = 6585 Tage
  • = 223 synodische Monate (6585,3213 Tage)
  • = 242 drakonitische Monate (6585,3575 Tage)
  • = 1 Sarosperiode
  • = 18 tropische Jahre und rund 11 Tage

Das Zahlengleichnis der für den Minotauros im Labyrinth bestimmten attischen Opfer, gepaart mit dem 18-jährigen Zeitraum für Minos‘ zum dritten Male fällig werdenden Tribut, ist also zweifelsfrei eine Analogie zur achtzehnjährigen Sarosperiode, nach der sich die Abfolge der Finsternisse in recht ähnlicher Art und Weise wiederholt. Ein Wissen, das in der Bronzezeit, auf die sich der Theseusmythos bezieht, die allenfalls orakelhaft mögliche Finsternisvorhersage durchaus erleichtert haben muss. Genauso, wie die bronzezeitliche “Globalisierung” dazu beigetragen haben dürfte, weiträumig relativ zügig Informationen über beobachtete Finsternisse auszutauschen.

Die Zahl der Kinderschar nebst Theseus selbst als Gleichnis für die Anzahl Tage des halben Mondmonats ist allerdings doppeldeutig. Welche Monatshälfte ist gemeint? Die Symbolik kann sowohl den Zeitraum von Neu- bis Vollmond, als auch von Voll- bis Neumond betreffen. Zu allen drei Terminen ist aber innerhalb desselben Finsternisfensters von im Mittel 33 Tagen Länge ein Finsternisereignis möglich. Wenn nun das Aufeinandertreffen von Theseus und Minotauros im Labyrinth eine totale Sonnenfinsternis symbolisiert, herrscht zwangsläufig gerade Neumond. Folglich kann diesem Termin im selben Finsternisfenster ein weiterer Vollmondtermin 14 bis 15 Tage vorausgegangen sein, bei dem ein weiteres Finsternisereignis möglich war bzw. folgte im gleichen Abstand ein Vollmond, der statt jenem bestenfalls partiell verfinstert war. Beide nächstliegenden Vollmondtermine können unmöglich verfinstert werden, weil von Vollmond zu Vollmond rund 29,5 Tage vergehen, der Mond von Knotendurchgang zu Knotendurchgang aber nur rund 27,2 Tage braucht.31

In diesem Zusammenhang aber verbirgt sich hinter dem besagten Zahlengleichnis der Opferzahl eine weitere, interessante Deutungsmöglichkeit. So müssen ja für die Handlung verschiedene zeitliche Abläufe unterstellt werden. Sicher verging eine gewisse Zeit zwischen Theseus‘ Eintreffen in Athen bis zum Beginn der Überfahrt nach Kreta wie auch zwischen dieser und seiner Begegnung mit dem Minotauros im Labyrinth. Dasselbe gilt für die Rücktour mit erstem Halt auf der Insel Dia, wo Ariadne zurückbleibt, einem zweiten Halt auf der Insel Delos wo man vermutlich mehrere Tage lang den Labyrinthtanz vermittelt, bis hin dem Todessturz des Aigeus, der unmittelbar mit dem Gleichnis von den weißen und schwarzen Segeln zu tun hat, sinngemäß also immer noch mit dem zentralen Finsternisereignis in Verbindung steht. Zumal Theseus die vierzehn Kameraden am Ende wohlbehalten zurück nach Athen bringt.

Das Zahlengleichnis der vierzehn Athener Opfer einschließlich Theseus lässt sich entsprechend zweimal gleichnishaft anführen, einmal vom Einzug durchs Stadttor bis zur Begegnung Theseus-Minotauros und einmal ab diesem Zeitpunkt bis zur glücklichen Heimbringung der Opferschar. Beide Zeitabschnitte zusammen ergänzen das Zahlengleichnis zum vollen Mondmonat von 29 bis 30 Tagen.

Über diese Annahme hinaus sind folgende Metaphern bzw. Analogien zu beachten. Theseus gelangt durch das Stadttor nach Athen. Das „Tor“ symbolisiert gleichsam die Öffnung eines “Finsternisportals” bzw. den Beginn eines “Finsternismonats”. Medea verübt kurz nach Ankunft des Theseus einen tückischen Giftanschlag auf sein Leben, den der Vater gerade noch vereitelt. Die gleichsam “finstere” Absicht der Medea verfehlt den attischen Lichtheros in spe knapp. Dieses ‘Beinahedesaster’ ist eine Allegorie für eine partielle Finsternis oder für eine Halbschattenfinsternis des Vollmonds 14 Tage vor der zentralen Sonnenfinsternis. Wobei zu berücksichtigen wäre, dass die griechische Astronomie und Kosmologie inzwischen die Kugelgestalt der Erde und deren kegelförmige Schattenwürfe kannte. Insofern wusste vermutlich Plutarch (1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.) auch um die kaum oder gar nicht beobachtbaren Halbschatten- und partiellen Halbschattenfinsternisse des Mondes. (Frage an die klassischen Philologen: “Seit Euripides Tragödie “Medea” (431 v. Chr.) wurde ihre tragische Figur meist als düster charakterisiert. War Plutarch der Erste, der Äetes Tochter als astronomische Metapher für ein Finsternisphänomen nutzte?)

Diese Auslegung stützen insbesondere zwei Aspekte: Medeas Abstammung und ihr Wesen. Sie ist die zauberkundige Tochter des Königs Äetes von Kolchis. Von jenem also, von dem sich die berühmten Argonauten am Ende ihrer mythischen Fahrt ins „Schwarze Meer“ das „Goldene Vlies“ erhofften. Weil sie in der Argonautensaga den eigenen, wenn auch grausamen Vater hintergeht und Jason, dem Geliebten und Argonautenführer hilft (Ähnlich, wie Ariadne den Vater hintergeht, um Theseus zu helfen.), entflieht Medea der Heimat und folgt Jason. Als der sich einer anderen zuwendet, tötet sie (Zumindest in der Version des Euripides.) die gemeinsamen Kinder und dessen Geliebte, wonach sie Aigeus von Athen aufnimmt und ehelicht. Die Argonautensage sieht sie u.a. in Verbindung mit Drachen, typischerweise geflügelten, weil mythisch ekliptikalen Kreaturen. Ihren Vater Äetes charakterisierte schon Homer, genau wie Kretas König Minos, als „allerfahren“.32 Was zweifellos im Sinne von “astronomisch bewandert” oder noch drastischer als “astrale Erscheinung” interpretiert werden muss. So ist, schon nach den alten Dichtern, Äetes Sohn des Sonnengottes Helios und der dunklen Mondgöttin Perse.33 34 (Folglich von Geburt “allerfahren”!). Er ist also ein Bruder der Pasiphae und sollte daher wie diese einen ekliptikalen Aspekt repräsentieren.35 Folglich kann Äetes Tochter Medea dann sinngemäß als Personifizierung einer Erscheinung in Ekliptiknähe gedeutet werden. Sprich als kosmischer Schatten oder Halbschatten im ekliptikalen Bereich um die Mondbahnknoten.

Medea ist in ihrem gesamten mythischen Wirken in ähnlich zwielichtige, für andere undurchsichtige Handlungszwänge gefangen wie ihre Tante Pasiphae bei deren sodomitischer Verfehlung. Wie diese gilt sie nach den Großeltern als zwiespältiger Charakter, gleichwohl licht- wie schattenbehaftet. Was bei ihr sinngemäß in schwarz-weiß gezeichneten Extremen zum Ausdruck kommt wie bedingungslose Hingabe, Mutterliebe, Opferbereitschaft auf der einen, Kindsmord aus Rachsucht, Opferung der eigenen Familie für ihre Ambitionen, hinterhältige Tücke auf der anderen. Ihre mythische Abstammung, das Verbergen ihrer Absichten vor den Nächsten, ihr „zwielichtiger“ Charakter sind passende Analogien zum Phänomen partieller Finsternisse, eher aber noch zu Halbschattenfinsternissen.36 37

Gewisse Parallelen lassen sich ebenso zwischen Medea und Phaidra ziehen, eine Schwester der Ariadne, Halbschwester des Minotauros, Tochter des Minos und der Pasiphae, zweite Gattin des Theseus. Die innige Zuneigung zu ihrem erwachsenen Stiefsohn Hippolytos, ihre arglistige Behauptung gegenüber ihrem Ehemann Theseus, von dessen Sohn aus erster Beziehung vergewaltigt worden zu sein und das Extrem des eigenen Freitods, erinnern im Wesen an Medea. Wie diese, sollte demnach auch Phaidra eine allegorische Rolle im Kontext der Eklipsen spielen. Was ebenfalls auf Aigle erweitert werden kann, die als eine Geliebte des Theseus gehandelt wird. Mit Ariadne, Phaidra und Aigle sehen wir drei “Gespielinnen”, die gleichsam den zentralen Lichtheros, den Bezwinger der Finsternis mythologisch “umrahmen”. Analog zu Ariadne sollten daher auch die beiden anderen Frauenfiguren als personifizierte Erscheinungen im Umfeld einer totalen Sonnenfinsternis zu deuten sein.

Wenn der Theseus-Mythos ausschließlich Kinder der Elite Athens als Opfer vorsieht, verbirgt sich dahinter womöglich etwas anderes, als Menschenopfer. Wenn auch rein spekulativ, käme vielleicht ein mehrjähriger Tempeldienst in Betracht, wie es ihn für adlige Mädchen im klassisch griechischen Artemiskult gab. Bezeichnenderweise wünschte sich die kindliche Artemis im III. kallimachischen Hymnos, auf dem Schoße ihres Erzeugers Zeus von diesem 60 Okeaniden im Alter von ausgerechnet wieder neun Jahren als jungfräuliche (“unumgürtete) Mädchen als Chortänzerinnen.38 Analog könnten ausgewählte attische Mädchen aus vornehmem Haus vielleicht in einer früheren Zeit zu einem neunjährigen Tempeldienst verpflichtet gewesen sein, der bis zu ihrer Volljährigkeit reichte. Mehr oder weniger wären sie so vielleicht in einer Art Aufopferung für die Gesellschaft, im Mythos mit dem „Kinderopfer“ angedeutet, dem Elternhaus bis zur Volljährigkeit entzogen gewesen.

Denkbar, dass es auch für Knaben aus elitärem Elternhaus vergleichbare verpflichtende Tempel- oder Bildungs- bzw. Ausbildungsjahre gab, nautische, militärische oder handelskaufmännische Erziehungen ‘von der Pike auf’ außerhalb des Elternhauses, die eine Enneade lang bis zur Volljährigkeit andauerten.39

Ariadne, Tochter des Minos und der Pasiphae ist zugleich Halbschwester des Minotauros. Das von ihr dem Helden Theseus gereichte Knäuel symbolisiert den kosmischen Finsternisknoten, in welchem dieser den Minotauros vorfindet. Abgewickelt im (kosmischen) Labyrinth entspinnt sich das Knotenknäuel zum sprichwörtlich gewordenen „roten Faden”, zum schmalen Band der Ekliptik, dem Weg des „Blutmondes“, aber auch dem der feurig glühenden Sonne. Ariadnes Halbbruder Minotauros personifiziert die totale Sonnenfinsternis genau in einem der beiden Knoten!

Beider Mutter Pasiphae steht, wie bereits dargelegt, vermutlich für den lichten, oberirdischen Teil des Ekliptikbogens zwischen den Knoten! Wen oder was aber repräsentiert dann Ariadne? Bei keinem der modernen Rezeptoren, soweit ich Einsicht hatte, findet sich darauf eine gescheite Antwort. Dabei liegt die durchaus auf der Hand. Am deutlichsten brachten sie jene antiken Autoren zum Ausdruck, die statt des Knäuels und Fadens ihre magisch im Dunkeln leuchtende Edelsteinkrone ins Spiel brachten bzw. sie selbst als Führerin durch das Labyrinth. Nicht die Edelsteinkrone, sondern Hesiods „blonde“ Ariadne selbst ist die personifizierte, geheimnisvoll magisch, geradezu „hochheilig“40 oder gleichsam „blond“ aufscheinende Sonnenkorona rings um die schwarze Neumondscheibe im Moment größter, an Weltuntergang gemahnender Finsternis am helligten Tage.

Ihr edelsteinernes Diadem ist ihr Metonym. Ein Ersatz für ihre göttliche Figur im attischen Mythos, über das man eventuell auch versucht haben könnte, eine ältere Bedeutung der Göttin zugunsten der griechischen Göttin Artemis in Athen herunterzuspielen. (Ob ältere Poeten die Redundanz des Gleichnisses mit der Krone vermieden oder das spätere Gleichnis auf einer späteren Erfindung des Sternbildes „Corona Borealis“ basiert, muss ich dahingestellt lassen.) Ariadne verrät, selbst ohne Knäuel, gleichsam in höchsteigener Person, Theseus den verborgenen Ort des Minotauros im Labyrinth. Im Moment ihres Erstrahlens steht der schwarze Neumond (Finsteres „Bull’s Eye“ mit strahlendem Wimpernkranz, ägypt.: “Auge des Ra.) exakt im Knoten, zentral auf der Ekliptik. Dort, im Zentrum des zodiakalen Labyrinths also, weilt im selben Moment wie Ariadne ihr Halbbruder, der finster herabdräuende Minotauros. Dank ihrer Führung steht der attisch-irdische Lichtheros Theseus dem finsteren Stiermensch ‚Aug in Aug‘ im Zentrum des Labyrinths gegenüber. Faden und Krone können folglich nur Attribute für Ariadnes kosmologisch-göttliche Identität sein. Letztlich identifiziert sich Ariadne, wie schon ihr Halbbruder Minotauros, indirekt über die gemeinsame Mutter Pasiphae. Wie jener folgt auch Ariadne gleichsam der mütterlich-kosmischen Spur. Erscheint sie doch ausschließlich auf dem tagsüber sichtbaren Abschnitt der Ekliptik.

Ariadnes Asterismus ist ihr Sternbild „Corona Borealis“. Dabei handelt es sich um einen ungefähren Halbkreis von Sternen, in deren Kettenmitte sich der hellere Stern Gemma (dtsch: „Edelstein“) findet. Nicht nur, dass dieses Sternbild Ariadnes Lichtkrone und damit eben auch die Sonnenkorona während einer totalen Sonnenfinsternis versinnbildlicht! Es erinnert seiner Halbkreisform nach zugleich an den sogenannten „Perlenschnur-“, mit Gemma obendrein aber auch an den „Diamantringeffekt“ um die “schwarze Sonne”. Beides sind unmittelbar vor und nach der Totalität, sinngemäß Ariadnes Erscheinen flankierende, solare Lichtspiele rund um die Neumondscheibe, d. h. Erscheinungen, die ausschließlich im Kontext einer Sonnenfinsternis auftreten.

Ariadnes Asterismus bestätigt Theseus‘ Kretareise als Metapher, in welcher der bronzezeitlichen, kretischen Enkelgeneration nach Europa (der personifizierten Mondfinsternis) nicht nur bedeutsames ekliptikales Wissen unterstellt wird, bis hin zur Kenntnis der Sarosperiode nebst entsprechend genauer Kalenderrechnung, sondern auch die Kenntnis von Sternbildkonstellationen innerhalb wie außerhalb des Zodiakos und dem Ansachein nach auch die orakelhafte Weissagung von Sonnenfinsternissen.

Mehr noch! Die kretische Schwester der Ariadne, Minos Tochter Phaidra (Nach Kerényi namentlich “die Glänzende”.) 41 und jene Geliebte des Theseus mit Namen Aigle 42 (Nach Kerényi “die Lichte”.)43 müssen zwingend im Mythos jene beiden lichten Begleiterscheinungen der totalen Sonnenfinsternis: “Perlenschur-” und “Diamantringeffekt” personifizieren. Schließlich sind sie, wie gesagt, solare Erscheinungen, gehören folglich zum Lichtheros Theseus, dem Bezwinger der “Finsternis”. Als flüchtige mythische Gefährtinnen des Theseus sollten eigentlich alle drei im Sternbild Corona Borealis (dtsch: “Nördliche Krone”) verewigt sein. Selbst wenn sich in den Mythen oder den astronomischen Schriften der Antike dieser astrale Bezug für Phaidra und Aigle nicht explizit beweisen lassen sollte, wäre es doch im Interesse der Mythenwahrung schön, wenn man das hübsche Sternbild allen drei Frauenfiguren zumindest in den Erzählungen zu den klassischen Sternbildern widmen wollte.44

Eine intressante Frage wäre im Zusammenhang mit den Mythen um Sonnenfinsternisse, ob sie auch das antike Wissen um den ‘Triple-Saros’ beinhalten? Nur alle drei Sarosperioden wiederholt sich eine Sonnenfinsternis wieder ungefähr auf demselben Längengrad, allerdings etwas in der geographischen Breite versetzt. Dennoch kann sie so vom selben Standort aus wieder eingesehen werden. Zwischenzeitlich verschiebt sich diese alle 18 Jahre um rund 120 Grad geographische Länge, ist also von einem unveränderlichen Standort aus dann nicht einsehbar. Grund für die Verschiebung ist die nicht taggenaue Länge des Saroszyklus. Da er rund einen drittel Tag länger als 6585 Tage dauert, rotiert die Erde rund acht Stunden weiter, was jene rund 120 Grad ausmacht. Einen verborgenen Hinweis auf den 54 Jahre und rund einen Monat dauernden Triple-Saros (auch als Exeligmos-Periode bezeichnet) vermochte ich den mir zugänglichen, sehr begrenzten Mythenquellen der Griechen innerhalb des kretischen Mythenzirkels nicht zu entnehmen.45

Ein zweite, nicht minder interessante Frage wäre die, ob sich in den Mythenquellen ein expliziter Hinweis auf das Wissen um die Länge eines Finsternisfensterns findet? Indirekt dürfte die gesamte Kretafahrt des Theseus, von der Ankunft in Athen bis zu seiner Rückkunft dort, diesem Zeitraum entsprechen. Einen eindeutigen Hinweis darauf aber muss ich ebenfalls schuldig bleiben. Vielleicht findet ja einer von Euch eine Anwort auf diese beiden Fragen.

Wer bis hierhin noch immer nicht überzeugt sein sollte, dass es bei der Kretafahrt des Theseus um die Thematik ‘totale Sonnenfinsternis’ geht, der sei an die Metapher von den schwarzen und weißen Segeln erinnert, die Theseus auf Aigeus Geheiß mitnahm. Am Schluss der Episode wird an sie mit dem Grund für den Todessturz des Aigeus erinnert, als deutlicher Hinweis auf den verborgenen Mythenkern. Noch unmissverständlicher lässt sich wohl kaum ein Gleichnis bildsprachlich formulieren. Alles andere wäre weniger ein Gleichnis, als ein kaum noch verhüllter Realismus wie: “Schwarze Sonne” oder “Nacht bei Tage”. Doch das Schöne an den antiken Astralmythen ist gerade die ebenso diffizile wie subtile Bildsprache einer faszinierenden Mantelstory, die auf den ersten Blick überhaupt nicht zu erkennen gibt, was sie verbirgt.

Genau so aber verhält es sich auch mit den ikonografischen Zeugnissen prähistorischer, schriftloser Kulturen. Deren Bilder erzählen in aller Regel viel mehr, als sie zeigen, oft komplexe, mythologisierte Weltbilder, die aber immer in irgendeiner Form auf den Lichterbewegungen des Himmels basieren. Man muss sie nur zu “lesen” verstehen und sie “lesen” wollen. Nur wer es wieder und wieder versucht, wer sich selbstkritisch mit den jeweiligen menschlichen Erkenntnismöglichkeiten auf der Basis jeweiliger soziokultureller Entwicklungsstände in den Kulturen beschäftigt, wird fündig, aber auch eigene Fehler erkennen und ausmerzen können. Wenn sich viele Wissenschaftler trotz der Risiken an einer solchen ikonologischen Forschung beteiligen wollten und sich dabei intensiv untereinander kritsch austauschen, könnte die bislang recht einseitig materiell forschende Archäologie und die darauf aufbauende, zwangsläufig lückenhafte prähistorische Forschung unter Integration von Ikonologie und Archäoastronomie so einiges bewegen.

Unsere schriftunkundigen Vorfahren sollten es uns wert sein, nicht nur ihre materiellen, sondern auch ihre immateriellen Errungenschaften durch minutiöse Erforschung gebührend anerkennen zu wollen und die dafür nötigen finanziellen und personellen Ressourcen an den wissenschaftspolitisch führenden Stellen Europas nachdrücklich einzufordern.

Footnotes

  1. Der Marathonische Stier dürfte eine Metapher für eine totale Sonnenfinsternis gewesen sein! Was auch dessen mythische Opferung durch Theseus auf dem Altar des ekliptikalen Lichtgottes Apollon nahelegt. Daher wohl identifizierte jenen mancher antiker Autor auch als den ‘kretischen Stier’, den Minotauros. Ähnlich verhält es sich mit dem Kampf gegen den Kalydonischen Eber, an dem auch Theseus beteiligt gewesen sein soll nach Ovid: “Metamorphosen”, VIII/270 ff., dessen Sieg über die Krommyonische Sau nach Apollodor: “Mythische Bibliothek”, I/1 u. Ovid: “Metamorphosen”, VII/435, Plutarch: “Theseus” , 9/1 oder schon beim Erymanthischen Eber des Herakles nach Diodor: “Historische Bibliothek”, IV/12. Eber und Sau bzw. ihre Wildform, Keiler und Bache, galten ihrer Hauer wegen als lunare Symbolik. Was im Mythos sowohl ihre Verbindung zur nächtlich ekliptikalen Mondgöttin Artemis andeutet, Zwillingsschwester des Apollon, als auch der Name Phaia der Krommyonischen Sau, der so viel wie die “Schwarzgraue” bedeutet. Phaia selbst, die als Mutter der beiden Keiler gilt, dürfte kein Finsternisphänomen symbolisieren, sondern das sogenannte “aschgraue Mondlicht”. Ein Phänomen, welches in der Antike mythisch offenbar als verwandt mit den kosmischen Finsternisschatten gedeutet wurde. Das “aschgraue Mondlicht” bezeichnet die von irdischer Lichtreflexion aufgehellte, restliche Mondoberfläche, wie sie zuweilen, meist bei relativ jungem Sichelmond (Sichelmond = Eberzahn, Hauer), zu beobachten ist. – Siehe unter Wikipedia: “Erdschein”. Back to footnote
  2. “Apollodor: “Bibliothek”, III/15/7, Übersetzung von Johann Franz Beyer, Hardamar und Herborn, Neue Gelehrten-Buchhandlung, 1802, digitalisiert 2014, https://archive.org/details/apollodorsmythis01apol Back to footnote
  3. Apollodor: “Bibliothek”, III/15/8. Back to footnote
  4. Plutarch: “Theseus” XV/2. Back to footnote
  5. Diodor: “Historische Bibliothek”, IV/61. Back to footnote
  6. Nach Apollodor: “Bibliothek”, III/15/7. Back to footnote
  7. Ovid: “Metamorphosen”, VII/433-450, Reclam, 2003 Back to footnote
  8. Apollodor: “Bibliothek”, III/15/8. Back to footnote
  9. Ovid: “Metamorphosen”, VII/401-421, Reclam, 2003. Back to footnote
  10. Euripides: “Fragmente”, Teil 1, “Aigeus” Back to footnote
  11. Ovid: “Metamorphosen”, VII/421-424, Reclam, 2003. Back to footnote
  12. Diodor: “Historische Bibliothek”, IV/61. Back to footnote
  13. Plutarch: “Theseus”, XIX/1 Back to footnote
  14. Diodor: “Historische Bibliothek”, IV/61. Back to footnote
  15. Plutarch: “Theseus”, XIX/1 Back to footnote
  16. Bei Diodor: “Historische Bibliothek”, IV/61 weist Ariadne persönlich Theseus den Weg aus dem Labyrinth! Back to footnote
  17. Ovid: “Metamorphosen”, VIII/173-174. Back to footnote
  18. Bakchylides: “Lieder”, “Theseus Kretafahrt”, XVII/109-116, Übersetzung u. Kommentar Herwig Maehler, Brill, Leiden 1997 Back to footnote
  19. Diodor: “Historische Bibliothek”, IV/61. Back to footnote
  20. Plutarch: Theseus”, XXI/1. Back to footnote
  21. Plutarch: “Theseus”, XXII/1. Back to footnote
  22. Nach Diodor: “Historische Bibliothek”, IV/62. Back to footnote
  23. Hesiod: “Theogonie”, 940-942. Back to footnote
  24. Schon bei Homer ist er der Sohn des Aigeus; “Ilias” I/265. Back to footnote
  25. Ralf von den Hoff: “Theseus, der Klitias-Krater und Athen im 6. Jh.v.Chr.”, PDF Archiv Uni Heidelberg, S. 3, Zitat: “Auf dem Krater des Klitias und Ergotimos nun erscheint Theseus gegen 570/60 überhaupt zum ersten Mal in der Bilderwelt attischer Vasen. Doch nicht nur das erste Erscheinen seiner Bilder ist wichtig: Theseus fungiert nebem Achilleus rein quantitativ auch als der zweitwichtigste Protagonist der Bilder des Kraters. Auf der Grundlage dieser (und anderer) Beobachtungen und der Datierung um 570/60 hat Alan Shapiro die These vertreten, dass es unter Solon, in der Zeit unmittelbar vor dem Klitias-Krater also, war, dass Theseus in Athen zum zentralen und wichtigsten Polis-Heros wurde – dass die Athener einen Heros als ihren ‚nationalen’ Helden etablierten, der vorher zwar im Ägäis-Raum bekannt war, aber noch kein lokalspezifisches Profil entwickelt hatte.” Erstveröffentlichung in Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg / SFB 485 “Norm und Symbol. Die kulturelle Dimension sozialer und politischer Integration”: Diskussionsbeiträge 59, Mai 2005 Back to footnote
  26. J. Lesley Fitton: “Die Minoer”, S. 89-92, “Anemospilia: Menschenopfer in einem minoischen Tempel und das Ende des Kretas der alten Paläste”, Theiss, Stuttgart 2004, im Text mit Verweis auf die Ausgräber Yannis u. Elfi Sakellarakis. Back to footnote
  27. Was sich mit der neolithischen Symbolik der 14 Strahlenstriche auf der Axt von Halle-Radewell deckt, siehe Kapt. IV/4/12. Back to footnote
  28. Euripides “Fragmente” unter “Theseus” erwähnen lediglich sechs Jungen und Mädchen als Opfer, die aber jährlich fällig wurden. Offenbar wurde hier der kürzeste der Finsterniszyklen, der Semesterzyklus symbolisiert. Back to footnote
  29. Interessant ist daher auch, dass sich die Neunzahl mit jener bei Homer deckt, wonach sich Minos neunjährig mit Zeus beratschlagte. Meines Erachtens besaß diese Enneade im Kontext der Finsternisse schon in neolithischer Zeit nicht nur in Europa große kultische Bedeutung. Vor allem Ägyptologen sollte der Begriff der “Neunbogenländer” bekannt sein, mit denen die Ägypter schon in der ersten Hälfte des 3. Jt. v. Chr. (Altes Reich) fremde Völkerschaften und potentielle Feinde Ägyptens bezeichneten, solchen aber auch ihrerseits mit der Anwendung der “neun Bogen” drohten. Bei den “Neunbogenvölkern”, die meistens tatsächlich mit neun Reflexbögen bei den Ägyptern dargestellt wurden, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eurasische Kulturen, die einen solchen neunjährigen (Enneade) Kultzyklus kannten. Hintergrund für die Bezeichnung “Neunbogenländer” ist vermutlich die Symbolik des Reflexbogens für den Jahreslauf der Sonne. (Ein Kapt. “Sonnenbogen” ist hier auf der Webseite vorgesehen.) Folglich steht das Gleichnis der “neun Bögen” für neun Jahre. Apollon und Artemis, sinngemäß die mit der Ekliptik verbundenen Lichtgötter für Tag und Nacht, verdrängten im Laufe der Zeit alle anderen griechischen wie auch aus anderen Kulturen übernommenen Götter und Heroen mit ekliptikalen Funktionen oder Bedeutungen. Große Ausnahme blieb Dionysos. Dank dessen sich auch die Erinnerung an die minoische Ariadne halten konnte. Die Zwillinge Apollon und Artemis galten zudem als herausragende, ‘ferntreffende’ Bogenschützen. Was wiederum in Verbindung mit dem jährlichen Kreislauf des Lichts, aber auch in Bezug auf die mutmaßlich indogermanisch, eurasischen Völkerschaften der “Neunbogenländer” aufhorchen lassen sollte. Back to footnote
  30. Wer sich fragt, was denn der Gott Dionysos mit Finsternissen zu tun habe, sollte zunächst die Frage stellen, wie Ariadne zu ihm passt oder seine Schirmherrschaft über das Delphische Orakel bei Abwesenheit des Apollon? Hier liegen die wesentlichen Antworten verborgen, aber auch in seiner Bedeutung als Gott extatischer Lebenslust und des Rausches bis hin zum Wahnsinn. Back to footnote
  31. Binnen dieser zwei Tage läuft der Mond rund 26 Grad auf seiner Bahn weiter. Das entfernt ihn auf seiner gegen die Ekliptik geneigten Bahn viel zu weit vom zulässigen Knotenbereich, selbst für einen Streifschuss durch den äußersten Schattenrand, den Halbschatten. Nach Stefan Krause: www.mondfinsternis.net Back to footnote
  32. Homer: “Odyssee”, X/136-139. Back to footnote
  33. Hesiod: “Theogonie”, Vers 941. Back to footnote
  34. Homer: Odyssee”, ebenda. Back to footnote
  35. Was dann ebenso für beider Schwester, die zauberkundige Kirke oder Circe erwogen werden muss! Denkbar wäre, dass die drei Geschwister, anaolog zur Chimäre, die dreigeteilte Ekliptik repräsentierten: Pasiphae tagsüber Weg der Sonne, der “allerfahrne” Äetes den nächtlich sichtbaren Abschnitt über dem Horizont und Kirke den unterweltlichen Teil, den zu bereisen sie im Mythos Odysseus empfahl, diesem zugleich aber auch kundig den Weg dorthin wies. Eine verlässliche Bestimmung und Zuordnung muss ich hier, ohne philologisches Studium, dennoch schuldig bleiben. Eventuell könnte es sich auch um ein Gleichnis handeln, das auf die Himmelsrichtungen bezogen werden muss, nämlich Äetes im Osten am Schwarzen Meer, Pasiphae auf Kreta Mittag- und Südrichtung mit Griecheland im Norden sowie Kirke, deren Wohnsitz schon Hesiod auf einer Insel im Westen vermutete. Wahrscheinlich, weil sie Odysseus den Weg zum Hades wies. Back to footnote
  36. Im Umkehrschluss erscheint die berühmte Mythe von der Fahrt der Argonauten nach Kolchis wie ein untersuchungswürdiger Astralmythos. Was schon deswegen nahe liegt, weil ihr Schiff “Argo Navis” ein Sternbild war, das heute in seine Bestandteile zerlegt, mehrere kleine Sternbilder des südlichen Himmels ausmacht. Wobei der Bug schon immer fehlte. Meines Erachtens gibt es dazu auch schon Publikationen. Nach Ian Ridpath “Die großen Sternbilder” (S 174-176) soll sogar schon Isaak Newton die Vermutung geäußert haben, die Argonautenfahrt ginge durch die 12 Tierkreissternbilder. Back to footnote
  37. Weniger bekannt sein dürfte dagegen, dass das regelmäßig bugüber dargestellte Bootsmotiv auf dem Diskos von Phaistos mit dem strichfigürlichen Steuermann darin – dem heutigen Sternbild “Schiffskompass”, lat. “Pyxis” – ebenfalls das buglose Sternbild “Argo Navis” bezeichnet! Eines von vielen Indizien für den astrokalendarischen Inhalt der Zeichen auf dem Diskos. Back to footnote
  38. “Hymnos zu Ehren der Artemis”, Abschnitt/Kapitel 97, in: “Der Artemis-Hymnos des Kalimachos: Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar” von Zsolt Adorjáni, De Gruyter, 2021, online unter https://dokumen.pub, zuletzt eingesehen 06.07.2025. Back to footnote
  39. Ich glaube, die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung der Enneade, insbesondere auch der Enneäeteris und ihre mögliche Entwicklung als Überbleibsel eines prähistorischen Kultzyklus, der sich vielleicht auch in der altägyptischen Götterenneade manifestierte, ist bislang nur unzureichend erforscht worden. Obwohl Prähistorikern und Philologen schon seit längerem bewusst scheint, dass in der überlieferten antiken Mythologie die Neunzahl auffallend häufig auftaucht.[(Vergleiche Wilhelm Heinrich Roscher: “Enneadische Studien, Versuch einer Geschichte der Neunzahl bei den Griechen, mit besonderer Berücksichtigung des ält. Epos der Philosophen und Ärzte”, Nr. 1 in Band XXVI. der Abhandlungen der Philologisch-Historischen Klasse der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, B. G. Teubner, Leipzig, 1907, online digitalisiert. Back to footnote
  40. “Ariagne”, von der Ariadne abgeleitet sei, bedeutet “heilig” nach Karl Kerényi: “Die Mythen der Griechen”, XV/6 “Dionysos und Ariadne”, dtv, 23. Aufl., 2003, S. 211 u. Back to footnote
  41. Karl Kerényi: “Die Mythen der Griechen”, XV/6, ebenda. Back to footnote
  42. Plutarch: “Theseus”, XX/1 Back to footnote
  43. Karl Kerényi: “Die Mythen der Griechen”, XV/6, ebenda. Back to footnote
  44. Mir wollte eine kritische Astronomin klar machen, dass die beiden Phänomene: “Diamantring” und “Perlenschnur” als Sekundeneffekte vor bzw. nach der Totalitätsphase einer Sonnenfinsternis wegen der extremen Augenblendung durch die Sonne erst in moderner Zeit beobachtet werden konnten, mit Erfindung des Fotoaparates und von Lichtfiltern. Das Sternbild “Corona Borealis” könnte zum Gegenbeweis taugen, wenn es denn schon in antiken Schriften auch mit diesen beiden Lichterscheinungen verbunden gewesen sein sollte. Die beiden Gefährtinnen des Theseus, Aigle und Phaidra dürften jedoch auch unabhängig vom Sternbild zumindest in mythologischer Übertragung das antike Wissen um beide lichten Begleiterscheinungen der totalen Sonnenfinsternis bezeugen. Back to footnote
  45. Triple-Saros nach Stefan Krause: www.mondfinsternis.net, dort unter “Mondfinsternis spezial”, “Vertiefende Beiträge”, “Mondfinsternisse und ihre Zyklen”, “Saroszyklus”. Back to footnote

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